Der lange Dornröschenschlaf der Stromkunden in Deutschland
Hand aufs Herz: Wann haben Sie sich Ihren Stromvertrag zuletzt genau angeschaut? Und wann eigentlich nach günstigeren oder besseren Alternativen gesucht? Wenn Sie auf eine Jahreszahl kommen, die sehr weit zurück liegt und eindringlich nach einer Recherche für heute Abend auf dem Sofa ruft, grämen Sie sich nicht: Sie befinden sich absolut im nationalen Durchschnitt.
Während um uns herum vieles in Bewegung und im Umbruch ist, ist ironischerweise der alte „gute“ Stromvertrag oft eine unveränderliche Konstante, an die man sich in einem deutschen Haushalt klammert.
Mit unserer Energieversorger-Studie wollten wir rausfinden, wann Verbraucher:innen ihren Stromvertrag eigentlich wechseln, und was ihnen dabei wichtig ist – und ob man daraus Schlüsse auf den Energiekäufermarkt der Zukunft ziehen kann.
Stromverträge sollen günstig sein – und simpel
Zuallererst wollen wir wissen, worauf überhaupt beim Abschluss des letzten Vertrags geachtet wurde. Und das waren vor allem zwei Dinge: Preis und Simplizität. Bei 91 Prozent der Befragten spielte der Preis beim letzten Stromvertragsabschluss eine wichtige Rolle. 94 Prozent war es wichtig, dass der Vertrag verständlich ist, und ganze 96 Prozent der Stromkund:innen achteten darauf, dass er möglichst unkompliziert ist.
Fast alle wollen dem Stromanbieter schnell wechseln können – doch nur jeder zweite tut es auch!
Für immerhin 88 Prozent der Studienteilnehmer:innen war es wichtig, dass ihr Stromvertrag einfach zu kündigen ist – das war wichtiger als der Ruf des Stromerzeugers (80 %), die Nutzung von erneuerbaren Energien (67 %) oder die regionale Erzeugung des Stroms (52 %). Verwunderlich ist das schon, denn fast jeder Zweite (49 %) gibt an, seit drei oder mehr Jahren denselben Stromvertrag zu haben. Guckt man sich nur die Stromkund:innen ab 45 Jahre an, sind es sogar 59 Prozent, die Ihren Vertrag länger als drei oder mehr Jahre haben! Natürlich muss man hier bedenken, dass gerade jüngere Menschen oftmals erst ihre erste eigene Wohnung beziehen und auch danach lebensbedingt häufiger umziehen – so kommen sie oft gar nicht in die Lage, einen Stromvertrag als „schlafendes Dornröschen“ in den Haushaltsunterlagen zu vergessen. Aber wir sehen: Wer seinen Vertrag einmal gemacht hat und sein trautes Heim nicht wechselt, lässt ihn oft unbeachtet einfach weiterlaufen.
„Grüner“ Strom und einfache Kündigungskonditionen vor allem für Jüngere wichtig
Zurück zu den Entscheidungskriterien für einen Stromvertrag: Der Strom soll also günstig sein, und der Vertrag möglichst unkompliziert – das gilt für Verbraucher:innen jeden Alters. In zwei Aspekten unterscheiden sich jüngere Stromkund:innen (unter 45) aber von älteren (ab 45): Zum einen ist die Einfachheit der Kündigung für jüngere Kund:innen noch wichtiger als für ältere: Für 92 Prozent der jüngeren Stromkund:innen war dies beim letzten Vertragsabschluss ein entscheidender Aspekt, bei den Älteren waren es immerhin noch 85 Prozent. Zum anderen ist die Entscheidung für Ökostrom, der aus der Steckdose kommen soll, eher bei den Jüngeren zu finden: Für 74 Prozent der jüngeren Kund:innen war es wichtig, dass ihr Strom aus erneuerbaren Energien stammt, bei den Älteren waren es hingegen nur noch 60 Prozent.
Wie wir altern, wird entscheiden, wie der Energiekäufermarkt der Zukunft aussehen wird
Und wie sieht nun die Zukunft der Energieverträge aus? Das hängt davon ab, wie die Jüngeren altern. Die jüngeren Generationen sind anspruchsvoller in ihrem Energiemix, wechselwilliger – und wechselerfahrener. Doch wird das auch so bleiben? Oder hat das etwas mit dem Alter selbst zu tun, werden die Jüngeren wie ihre Eltern – gesetzter und weniger wechselwillig – wenn sie einmal deren Alter und Lebensstatus erreicht haben? Gibt es dann wieder ein Dornröschenschlaf in den Haushaltsunterlagen für den einmal abgeschlossenen Stromvertrag? Und wenn es doch eine Generationsfrage ist? Wenn sich Gen Y und Gen Z auch beim Älter werden ihre Wechselwilligkeit bewahren? Dann folgt vielleicht, langsam, aber beständig, das große Erwachen und Prinz Energieversorger wird „Win“ und „Retain“ noch größer auf sein (Werbe)banner schreiben müssen.
Über die Studie:
Studienleitung: Leonid Rubinstein
Befragungszeitraum: 10.10.-16.10.2023
Grundgesamtheit: Deutsche Wohnbevölkerung
Altersgruppe: 18-69 Jahre
Stichprobengröße: n = 502
Methode: Quotierte Online-Befragung im qualitätskontrollierten EARSandEYES Accesspool
Bevölkerungsrepräsentativ hinsichtlich Alter, Region und Geschlecht
Bildcredit: EARSandEYES, Infografik: EARSandEYES
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