Entertainment am Shopping-Regal - Was Pack Design leisten muss, um auch Hedonisten und Harmonizer zu überzeugen

 

Ein Produkt kann noch so gut sein; wenn die Verpackung die Kund:innen nicht anspricht, bleibt es der berühmte Ladenhüter. Zudem befindet sich die Verpackung in einer komplexen Marken- und Marketingstrategie. Aber auch die ökonomischen und zunehmend auch die ökologischen Rahmenbedingungen, die von den Designer:innen berücksichtigt und abgedeckt werden müssen, sind zu berücksichtigen. Claudia Sanmann ist geschäftsführende Gesellschafterin von VISID, einer spezialisierten Agentur für Packaging Design und Product Branding im Konsumgütermarkt. Neben den Bereich Finanzen verantwortet sie gemeinsam mit einem ihrer zwei Geschäftspartner auch den Bereich Kreation.

 

Frau Sanmann, Verpackung ist die Werbefläche am Point of Sale. Was sind die wichtigsten Bedingungen, die sie im Regal erfüllen muss?

Hier gilt nach wie vor das Schlagwort „Stopping power“. Um damit aber auch den Kauf einzuleiten, bedarf es einiges mehr. Gerade bei großen Sortimenten gehört eine gute Führung dazu. Das klingt jetzt eher nach einer Benimmregel – hat aber natürlich mit Orientierung zu tun. Zudem gibt es die Veränderung der Sehgewohnheiten: jüngere Zielgruppen lesen nicht mehr viel am Regal – dafür aber zu Hause. Die Verpackung muss dann entertainen.

 

Was müssen Verpackungsdesigner:innen beachten, um nicht nur die Marketingbotschaften wie das Markenlogo, das Produktlogo, den Werbeslogan, diverse grafische Elemente auf der Fläche unterzubringen, sondern auch die gesetzlich vorgeschriebenen Produktinformationen? Sprich, welche gestalterischen Möglichkeiten gibt es dafür?

Auch hier entwickelt sich der Trend des Infotainments weiter. Wichtige Informationen können und müssen mittlerweile spannend erzählt werden. Textlich, aber auch gestalterisch. Und der Einsatz von QR-Codes und die Verbindung von virtuellem POS mit dem analogen bringt viele Vorteile, um die Verpackung nicht zu überfrachten.

 

Verpackungen werden von den Verbraucher:innen auch multisensorisch wahrgenommen. Was sind die wichtigsten Aspekte, die beim Designen beachtet werden müssen?

Das Design ist hier Teil des Gesamtbildes. Denn je mehr Sinne angesprochen werden, desto stärker ist die Bindung zur Marke. Mit jedem Sinn steigt die Wahrnehmung überproportional an. Geht man also nur an die Gestaltung, ist das zu kurz gedacht. Haptik, Akustik und natürlich der Geruch addieren Berührungspunkte, die das Unterbewusstsein erreichen und dort im Idealfall eine positive Botschaft hinterlassen.

 

Das Verpackungsdesign muss zur Zielgruppe passen. Ob Kinder, Senioren, junge Singles, erwachsene Singles, Familien, die Liste der Zielgruppen ist lang. Welche Faktoren in Bezug auf zum Beispiel: Handhabung, Material, Verpackungsgröße oder Haptik sind dabei zu beachten?

Wir bei VISID arbeiten auf Basis der Erkenntnisse aus dem Neuromarketing, mit der Limbic® Map. Damit können wir die Motive der jeweiligen Zielgruppen noch genauer ansprechen. So wecken wir zum Beispiel die Neugier bei den Hedonisten durch Probiergrößen oder spannende Limited Editions; nutzen warme, natürliche Farben für Produkte der Harmonizer oder unterstützen das Sicherheitsbedürfnis der Traditionalisten durch Qualitätssiegel.

 

Wie lange dauert es im Durchschnitt für routinierte Designer:innen, ein Verpackungsdesign vom ersten Entwurf bis zur Produktionsreife zu führen?

Das hängt natürlich stark vom Briefing ab. Und ob es sich um ein Einzelprodukt handelt oder ein großes Sortiment, das durchdacht werden muss. Arbeitet man im Team oder allein etc. Aber mit etwas Erfahrung und konsequenten Entscheidungen auf Kundenseite kann man das, denke ich, in etwa 2-3 Wochen schaffen. Allerdings heben wir natürlich immer den Finger und weisen darauf hin, dass auch Kreativität Zeit braucht. Ich denke da an das bekannte Experiment mit der Schulklasse, in der jedes Kind aus einem Kreis ein Bild zeichnen sollten. Zunächst hatten sie eine Minute Zeit. Über die Hälfte der Klasse zeichnete daraus eine Sonne. Als sie aber 15 Minuten Zeit hatten, entstanden wunderbar ausgearbeitete Bilder und vor allem gab es kaum Dopplungen. Die Moral der Geschichte ist sicherlich klar.

 

An welchem Punkt der Entwicklung wünscht man sich als Designer:in Unterstützung durch Marktforschung?

Kurz gesagt: wenn der Kunde (Auftraggeber) unsicher ist. Wenn wir zum Beispiel die Zielgruppe der Harmonizer oder Traditionalisten vor die Wahl stellen: neues vs. bestehendes Design zu testen, werden sie meistens wohl das vertraute bevorzugen. Da ist dann die Art der Befragung wichtig. Auch hier sind wir überzeugt, dass uns das Unterbewusstsein mehr sagt, als wir erwarten. Wir nutzen daher implizite Testverfahren. Die geben uns zügig Antworten, die uns weiterbringen. 

 

Wie sollte im Idealfall das Verpackungsbriefing eines Auftraggebers für ein neues Produkt aussehen?

Ein klares Markenbild ist das A und O. Umso besser das Briefing, desto besser das Design. Was fast abgedroschen klingt, hat weiterhin Bestand. Wir bieten unseren Kunden dafür auch eine Checkliste an.

 

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit!

 

Lesen Sie auch unseren Artikel: Der Kern der Komposition - Verpackungen mit dem EARSANDEYES PACK DESIGN COMPOSER optimieren

Claudia Sanmann: Ursprünglich Kommunikationsdesignerin bündelt die Unternehmerin in ihrer Designagentur VISID das Wissen aus 20 Jahren Erfahrung rund um das Thema Packaging, Produktentwicklung und Produktdesign. Nachhaltigkeit spielt in ihrer Arbeit eine ebenso große Rolle.

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Die autor:innen

Geschrieben von EARSandEYES

Das Hamburger Full-Service Institut EARSandEYES steht nationalen und internationalen Unternehmen seit 1999 als Partner bei der Innovations-, Marken- und Marketingforschung zur Seite. Wir greifen auf umfassendes Methodenwissen und fundierte Branchenkenntnisse zurück. Serviceorientierung und Innovationskraft gehören zu den zentralen Werten des Unternehmens. Seit 2017 ergänzt wir unser Angebot durch die automatisierte Pretesting-Lösung kvest.com: präzise Insights zu Produktkonzept, Verpackungsdesign und Werbewirkung innerhalb von 48 Stunden – dargestellt in einem interaktiven Live-Dashboard.

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